Oktober 2021

Peeter Neefs d. Ä. (?), Zentralperspektivische Darstellung eines Brunnenhofes

Feder, laviert

Signiert „P. Neef p.[inxit] 1644“

20,3 cm x 28,0 cm

Kl. D. Z. 6:3

 

TIB Slg. A. Haupt, Kl. D. Z. 6:3

In der bekannten Übersicht der „Grossen Schouburgh der niederländischen Maler und Malerinnen“ (Amsterdam 1718-19) findet sich auch ein kurzer Eintrag Arnold Houbrakens (1660-1719) zum Antwerpener Maler Pieter Neefs d. Ä. (ca. 1578-1656/1661). Dieser habe Perspektiven von fürstlichen Palästen und Galerien, insbesondere aber Innenansichten von Kirchen mit ihrem Interieur gemalt. Houbraken, selbst ein bekannter Künstler, schloss seinen kurzen Eintrag mit der Bemerkung: „Een arbeidsame verkiezing, die ik liever wil zien dan zelf maken." (Eine mühevolle Aufgabe, die ich lieber sehen als selbst machen will).

Mit der akribischen Darstellung von zumeist gotischen Kircheninnenräumen hatte Pieter Neefs, ein Mitglied der Antwerpener St. Lukas Gilde, für sich eine Marktlücke in der niederländischen Architekturmalerei erschlossen, die sein gleichnamiger Sohn weiter bediente. Ihre Gemälde sind heute in vielen namhaften Gemäldesammlungen weltweit vertreten, originale Zeichnungen aus ihrer Hand lassen sich dagegen kaum nachweisen. Als umso bemerkenswerter ist daher das sehr wahrscheinlich von Pieter Neffs d. Ä. stammende Blatt aus der Sammlung A. Haupts einzuschätzen, das einen Einblick in das alternative Schaffen Neefs gewährt.

Mit lockerer Hand gezeichnet und laviert, öffnet sich dem Betrachter der zentralperspektivisch entworfene Raum eines Brunnenhofs, dessen komplexe Architektur aus ein- und ausschwingenden Arkadenjochen gebildet wird. In den Sichtachsen der Bögen setzt sich diese Architektur ins vermeintlich Unendliche fort. Rustika- und Knospenelemente an Säulen, Gebälk und Bögen, aber auch der figurale Schmuck mit Tritonen und Fischen erinnern an die Grottenarchitekturen der italienischen Spätrenaissance und weisen das Blatt als manierierten Entwurf für eine Fantasieszenerie aus – möglicherweise einen Schauplatz für eine antik-mythologische Szene eines Bühnenwerks.

Haupt hat das Blatt 1898 bei einer Auktion in Leipzig aus der ehemaligen Sammlung Karl Eduard von Lipharts erworben. Bei ihrer eher zurückhaltend formulierten künstlerischen Bewertung als „fleissige Federzeichnung“ im Auktionskatalog fühlt man sich an die eingangs erwähnte Bemerkung Houbrakens erinnert. Etwas feiner hat zu Haupts Zeit Joseph Eduard Wessely (1826-1895) über Neefs künstlerisches Vermögen geurteilt: „In der Auffassung und Ausführung solcher Bilder bewies er die vollständigste Kenntniß der Lineal- und Luftperspective. In der Vertheilung des Lichtes und Schattens war er unübertrefflich, und selbst im tiefsten Schatten noch durchsichtig.“(ADB 1886) Man kann sich dem Urteil Wesselys auch heute noch beim Blick auf die Zeichnung uneingeschränkt anschließen.

Simon Paulus