Februar 2021

Unbekannter Künstler, Altarentwurf für Stift Melk (Colomanaltar), 1647

Feder, Pinsel, farb. laviert;

49,5 x 33,1 cm

 

TIB Slg. A. Haupt: Kl. D. Z. 22(2):6

Einen unmittelbaren Einblick in planungsgeschichtliche Zusammenhänge und die Interaktion von Künstler und Auftraggeber gewährt ein Klappplan mit der Ansicht eines Altars für die Stiftskirche des Benediktinerklosters in Melk an der Donau. Der Altarentwurf eines noch nicht identifizierten Künstlers mit zwei Alternativen zum oberen Abschluss des Giebels bezieht sich auf den Vorgängerbau der bekannten hochbarocken, ab 1701 neu errichteten Klosterkirche.

Da die ältere Inneneinrichtung im Zuge des Neubaus größtenteils abgetragen wurde und kaum dokumentiert ist, gehört die Zeichnung zu den wenigen konkreten Zeugnissen des Interieurs der alten Klosterkirche. Darüber hinaus ist er von kulturhistorischem Wert, da er konkrete Anweisungen und Korrekturwünsche enthält, die sehr wahrscheinlich vom Auftraggeber selbst, dem zwischen 1637 und 1676 amtierenden Abt des Klosters Valentin Embalner stammen. Embalner war einer der Protagonisten der sogenannten „Zweiten Melker Reform“, in der besonders die Figur des Heiligen Koloman als Stiftspatron und Lokalheiliger wieder eine besondere Bedeutung erlangte.

Der Altar stand – den älteren Beschreibungen nach – wohl oberhalb oder an der im Spätmittelalter mit einer durch eine aufwendige Arkadenbaldachinarchitektur markierten Tumba des Märtyrers, welcher der Legende nach aus Irland stammte und bei einer Pilgereise nach Jerusalem 1017 bei Stockerau hingerichtet wurde.

Embalner stiftete 1647 neben dem Altar auch das dazugehörige Altarbild, das der Künstler J. Georg Bachmann schuf. Bachmanns Kupfergemälde mit der Darstellung der Translatio des Hl. Kolomans (der Überführung seiner Gebeine nach Melk) befindet sich heute in der Wintersakristei der Melker Klosterkirche. Es weicht in den Maßen leicht vom Plan ab und weist eine Architekturrahmung auf, die der eingeklappten Entwurfsvariante ähnelt, jedoch nicht identisch ist. Den Eintragungen im Plan nach zu schließen wurde vermutlich eher die ausgeklappte, hier gezeigte Variante realisiert. Inwiefern Teile des 1647 errichteten Altars eine Wiederverwendung fanden, wäre noch zu klären.

Im ausgeklappten Planabschnitt ergänzte Embalner handschriftlich zum Psalmvers im oberen Schriftfeld als einen alternativen Vers „Justus vt palma florebit . psal. 91“. Dieser sollte auch zum exegetischen Leitvers des späteren, 1725/26 fertiggestellten neuen Koloman-Altars im Querhaus der heutigen Klosterkirche werden. Kleine Korrekturen und Ergänzungen finden sich u.a. am oberen Kreuz, das an die Form des „Melker Kreuzes“, einer bedeutende Reliquie des Klosters angeglichen wurde. Die Sockelinschrift ergänzte Embalner um die Jahreszahl 1647 und kommentierte rechts daneben: „Colomanne mit grossen buchstaben zumachen“. Rechts neben dem Bildfeld, das das Bild der Translatio umrahmen sollte, merkte er an: „Bey dieser Vision soll es verbleiben“.

Simon Paulus