April 2021

Gérard Audran nach Charles Le Brun, Der Sonnenpalast, nach 1661,

Kupferstich und Radierung, 83 cm x 110 cm

 

TIB, Slg. A. Haupt, o. inv. (Mappe „erledigt hist.“)

Unter den ca. 200 großformatigen Graphiken der Sammlung A. Haupt wird eine Reihe prächtiger Kupferstiche aufbewahrt, auf denen imposante Gewölbe- und Wandfresken berühmter italienischer und französischer Paläste festgehalten sind. Unter ihnen findet sich ein von fünf Platten gedrucktes Werk, das Charles Le Bruns (1619–1690) Komposition Der Sonnenpalast zeigt, die von Gerard Audran (1640–1703) gestochen wurde:

Apoll thront vor seinem Palast. Umgeben von den Jahreszeiten, Monaten und Stunden, die von der sich in den Schwanz beißenden Schlange im Jahreskreis verbunden werden, empfängt er das lichtdurchflutete Wappen des französischen Königs. Die Götter des Olymp sind anwesend, Mars und Jupiter krönen das Wappen, Saturn stützt es mit seinem Körper und Aurora dient als Vermittlerin zum Gott des Lichts.

Doch was sich hier als die Glorifizierung des französischen Königs Ludwig XIV. darstellt und sich in dessen im Übermaß zelebrierte Herrschaftsinszenierung als Sonnenkönig einzufügen scheint, war ursprünglich einem anderen zugedacht. Nicolas Fouquet (1615–1680), Surintendant des Finances und einer der mächtigsten Männer im absolutistischen Frankreich vor Herrschaftsantritt Ludwig XIV. beauftragte Charles Le Brun mit der Ausstattung seines Schlosses Vaux-le Vicomte. Für die Ausmalung der gigantischen Kuppel des zentralen Raums, des Grand Salon Ovale, entwarf Le Brun den Sonnenpalast. Erhaltene Zeichnungen im Louvre und zeitgenössischen Beschreibungen der Ikonographie geben Auskunft über die ursprüngliche Konzeption mit dem Eichhörnchen- Wappen Fouquets im Zentrum. Doch das Projekt, das eines der beeindruckendsten Deckenfresken des französischen Barocks hätte werden sollen, wurde nie in Malerei ausgeführt. Bereits kurz nach Übernahme der Regierungsgewalt Ludwigs XIV. im Jahr 1661 wurde Fouquet abgesetzt und verhaftet, die Arbeiten im Schloss kamen zum Erliegen, und die Künstler wurden vom König nach Versailles berufen.

Auch wenn der Abbruch der Arbeiten nicht zu Charles Le Bruns Schaden war – seine erfolgreiche Karriere am Hof Ludwigs XIV. fand hier ihren Anfang – wollte er sein Werk offenbar nicht aufgeben und veranlasste die Ausführung im Kupferstich durch Gérard Audran. Mit einer Widmung und der Änderung des Wappens versehen, diente Le Brun sein Werk dem König wohl auch in der Hoffnung an, sie andernorts, etwa im Louvre, realisieren zu können.

Dazu kam es nicht. Eine digitale Rekonstruktion und Projektion auf Basis der Zeichnungen und der vorliegenden Druckgraphik allerdings ist für dieses Jahr am ursprünglich vorgesehenen Anbringungsort, der ovalen Kuppel in Vaux-le Vicomte, geplant.

Birte Rubach