Das Blatt mit der Ansicht zu einem „PROJET d’une Guindal, qui se fait mouvoir en marchant par dedans“ (Projekt einer Winde, die durch Laufen bewegt wird) stellt innerhalb der Zeichnungssammlung Albrecht Haupts eine Ausnahme dar. Es handelt sich um die einzige Ingenieurs- bzw. Maschinenzeichnung. Dargestellt ist die Ansicht der Winde mit ihren beiden Laufrädern von ihrer Stirnseite her gesehen. Die zum vollen Verständnis ihrer Funktionsweise benötigte Queransicht und auch der Grundriss, bzw. die Aufsicht, haben sich nicht erhalten. Die in der Mitte erkennbare Winde wird durch ein Doppeltretrad betrieben, wie es seit dem Mittelalter bereits für Hafenkräne in Verwendung war. Seilwinden wurden u.a. zum Hereinziehen der Schiffe in die Docks genutzt. Auf den konkreten Einsatz auf einer Schiffswerft bzw. einem Dock verweist der in Schwedisch verfasste Vermerk „Brukas på Skepswarfa i Carlskrona“ (Gebraucht bei der Schiffswerft in Karlskrona). Neuerung ist die Verschiebbarkeit der Winde in seitliche Richtung.
Auch wenn der Entwurf von Hebe- und Baumaschinen oder auch anderen technischen Bauwerken wie Mühlen oder Schleusen bis Anfang des 19. Jahrhunderts zum Tätigkeitsfeld der Architekten gehörte, entsprach dieser Bereich nicht dem Sammlungsinteresse Haupts. Das Blatt gelangte als Beigabe mit dem Konvolut von Zeichnungen eines schwedischen Architekten (Sign. XXIVb) in seine Sammlung, der jedoch nicht mit dem Verfasser der Zeichnung identisch ist. Eigenhändig hat jener aber den mutmaßlichen Verfasser Adolph Modéèr unten rechts im Blatt nachgetragen.
Bei Adolph Modéèr (1739-1799) handelt es sich um einen schwedischen Naturforscher, Ökonom und Publizist. Bekannt wurde er insbesondere in den 1780er und 1790er Jahren durch eine Reihe von bedeutenden Schriften auf dem Gebiet der Sozialwissenschaften und der politischen Ökonomie. Er war Mitglied der Akademie der Wissenschaften (1786) und mehrerer anderer schwedischer und ausländischer Gelehrtengesellschaften. Dass er hier als „Erfinder“ einer Seilwinde auftaucht, mag auf den ersten Blick überraschen, ist aber nicht ungewöhnlich. Nach dem Abschluss seines Studiums 1754 in Lund war er über zwanzig Jahre als Landvermesser in der Provinz Kalmar, im Raum Stockholm und in der Provinz Gävleborg tätig. Es ist also naheliegend, dass er eine solide Ausbildung im Zeichnen hatte und wohl auch über Grundkenntnisse in Mechanik und Physik verfügte. Die Zeichnung dürfte daher aus diesen ersten Jahren stammen.
In der 1679 gegründeten südschwedischen Hafenstadt Karlskrona, seinem Geburtsort, befand sich einer der wichtigsten Flottenstützpunkte des schwedischen Königreichs. Seit 1998 sind der Marinehafen von Karlskrona und weitere Gebäude der Stadt als Weltkulturerbe der UNESCO gelistet.
Simon Paulus