Das kleine Querformat zeigt einen frontal dargestellten Pferdekopf in der Mittelachse. Er wird von zwei Halbfiguren flankiert, deren Körper in einer Akanthusranke auslaufen. Die linke männliche Figur ist in ihrer Rückenansicht gezeigt, während die rechte weibliche Figur von vorne zu sehen ist. Mit beiden Händen umfassen sie jeweils eine Keule und holen zum Schlag aus. Die Drehung der Oberkörper und die Armhaltung fügen sich achsensymmetrisch in die blattfüllende Ranke. Zwei nicht vollständig gegebene Totenschädel füllen die unteren Ecken des Stiches.
Das vorliegende Blatt ist einer von vier Kupferstichen in der Sammlung Haupt, die dem Meister mit den Pferdeköpfen zugeschrieben werden. Über den Künstler, der sich hinter diesem Hilfsnamen verbirgt, ist nichts bekannt. Seine Herkunft wird entweder in den Niederlanden oder in Westfalen vermutet, und die Entstehung der ca. 20 ihm zugeschriebenen Blätter wird auf das 1. Drittel des 16. Jahrhunderts datiert.
Der Künstler wird den sogenannten deutschen Kleinmeistern zugerechnet, deren Werke sich nicht nur durch das häufig gewählte kleine Format, sondern sich durch eine gemeinsame Formensprache auszeichnen und in denen oftmals auch weltliche, allegorische, mythologische Sujets oder Genreszenen dargestellt sind. Auch das Ornament wird zum selbständigen Bildthema. Ideenreich und verspielt verarbeiten die Künstler ihre Kenntnisse der italienischen Renaissance und der überlieferten antiken Formen. Im Gegensatz zu den bekannteren Persönlichkeiten, die der Gruppe zugeordnet werden, wie bspw. die Brüder Barthel und Sebald Beham, Heinrich Aldegrever oder Georg Pencz, sind vom Meister mit den Pferdeköpfen nur Ornamentstiche bekannt. Sein leicht spröder Stil zeichnet sich durch eine sehr feine Linie aus. Zur Modellierung seiner Formen setzt er fast ausschließlich die Parallelschraffur ein. Die Pferdeköpfe, die in mehreren seiner Blätter – auch als Schädel – auftauchen sind ein Alleinstellungmerkmal und wurden mithin namensgebend.
Albrecht Haupt stellte seine Graphiksammlung in jenen Jahren zusammen, als der Ornamentstich erstmals losgelöst von der Funktion des Ornaments als Decorum der Architektur systematisch in den Sammlungen gesichtet wurde und eine erste wissenschaftliche Einordnung erhielt. So war das Blatt offenbar noch eine Rarität als es Eingang in die Sammlung Albrecht Haupts fand. Vermutlich nicht ohne Stolz vermerkte er auf dem Träger „Sonst nur noch in Dresden“. Ein späterer Zusatz von anderer Hand fügte an „u. Berlin“, heute – nachdem zahlreiche Ornamentstichsammlungen erschlossen wurden und auch online verfügbar sind – kann die Liste um weitere Exemplare in Amsterdam (Rijksmuseum), London (V&A) und Wien (MAK) ergänzt werden.
Birte Rubach