Geographische Metadaten in der wissenschaftlichen Kommunikation beim Barcamp Open Science 2025

Das Barcamp Open Science ist eine jährliche „Unconference“, die allen offensteht, die sich für Open Science interessieren – Forschenden, Praktikerinnen, Neulingen und Expertinnen gleichermaßen. KOMET-Teammitglied Daniel gestaltete in diesem Jahr am 18. Juni eine Session zu Geodatenmetadaten in der wissenschaftlichen Kommunikation, als sich 45 #oscibar-Teilnehmende zu einem Tag voller lebendiger Diskussionen bei Wikimedia Deutschland in Berlin trafen.

Das Barcamp Open Science (oft unter dem Hashtag #oscibar bekannt) ist eine jährliche „Unconference", die allen offensteht, die sich für Open Science interessieren – Forschenden, Praktikerinnen, Neulingen und Expertinnen gleichermaßen. Das besondere Merkmal ist das teilnehmendengesteuerte Format: Die Teilnehmenden schlagen Sessions vor, stimmen darüber ab und leiten sie dann selbst zu allen Aspekten von Open Science – und fördern so lebendige und inklusive Diskussionen. Die Veranstaltung wird von einem Team aus Freiwilligen mit Unterstützung von Leibniz Open Science organisiert und begrüßte am 18. Juni 2025 insgesamt 45 Teilnehmende bei Wikimedia Deutschland in Berlin. Seit ihrer Gründung im Jahr 2015 fördert die Unkonferenz den gemeinschaftlichen Austausch rund um Open Science. Im Laufe der Jahre wurden dabei immer mehr Themen behandelt – von Open Access, Open Data und persistenten Identifikatoren über Mehrsprachigkeit, Chancengleichheit in der Forschung, Reproduzierbarkeit, nicht-MINT-Praktiken für Offenheit bis hin zu Resilienz. KOMET-Teammitglied Daniel Nüst war Mitorganisator der diesjährigen Veranstaltung und leitete zudem eine Session zu Geodatenmetadaten in der wissenschaftlichen Kommunikation. Hier ist sein Bericht. Ein Link zu den Berichten der anderen Sessions wird in Kürze hier hinzugefügt.


Geographische Metadaten – Informationen über das Wo und Wann der Forschung – haben das Potenzial, Wissen disziplinübergreifend auf spannende Weise zu verknüpfen. Stell dir vor, man könnte fragen:

  • Welche Orte werden in einer bestimmten wissenschaftlichen Arbeit untersucht?

  • Wo wurden Teilnehmende einer sozialwissenschaftlichen Studie befragt?

  • Wann und wo fand eine archäologische Ausgrabung statt?

  • Welche Regionen des Globalen Südens wurden noch nicht im Hinblick auf Ökosystemdienstleistungen erforscht?

Solche Fragen klingen einfach, aber die derzeitige Infrastruktur des wissenschaftlichen Publizierens unterstützt sie oft nur unzureichend. Forschungsartikel, Datensätze und digitale Sammlungen sind selten mit geografischen Informationen verknüpft, die leicht nutzbar oder durchsuchbar sind. Webseiten von Fachzeitschriften, Datenrepositorien und Metadatenstandards bringen Forschung meist nicht “auf die Landkarte”. Selbst wenn der Ort für eine Studie wichtig ist, wird er nicht strukturiert und durchsuchbar angegeben, sondern versteckt im Volltext, in Zusatzmaterialien oder in den Metadaten der zugehörigen Daten.

In dieser Session haben wir das Thema aus vielen Perspektiven beleuchtet. Initiiert wurde sie von Daniel Nüst, einem Research Software Engineer, der an Projekten (OPTIMETA, KOMET) arbeitet, die genau diese Lücke schließen wollen. Er stellte einige der ersten Werkzeuge vor, die raumbezogene Metadaten für wissenschaftliche Publikationen einführen. Eines davon ist geoMetadata, ein Plugin für das weit verbreitete Zeitschriften-Managementsystem Open Journal Systems (OJS), das Fachzeitschriften dabei hilft, geografische Metadaten zu erfassen und anzuzeigen. Ein weiteres ist OPTIMAP, eine Suchsplattform, die Forschungsergebnisse auf einer Karte visualisiert. Neben Geodaten unterstützen die genannten Projekte auch die Nutzung von Zitationen und persistenten Identifikatoren (PIDs) wie ROR oder IGSN, um das gemeinsame Metadatenökosystem der Wissenschaft zu stärken.

Da viele Teilnehmende technische Hintergründe hatten, begann die Diskussion mit praktischen Details. Daniel erklärte, dass die technische Seite von OPTIMAP recht unkompliziert sei: Für den Anwendungsfall der Suche nach Forschungsbeiträgen reichen grobe Angaben zu Breiten- und Längengraden aus – präzise Vermessungsdaten sind nicht nötig. Die Daten werden in PostgreSQL mit der Erweiterung PostGIS gespeichert. Komplexer wird es bei der Anbindung an Dienste wie Wikidata, die nur Punktkoordinaten darstellen können und für einfache geografische Konzepte wie ein ganzes Land oft mehrere Einträge benötigen.

Die Vision von OPTIMAP geht über einzelne Artikel hinaus: Es geht darum, eine Karte mit Forschungsergebnissen aus vielen verschiedenen Quellen zu füllen und diese Informationen in verschiedenen offenen Datenbanken zu hinterlegen. Doch wie kommen wisschenschaftliche Beiträge auf die Karte? Die Teilnehmenden hatten kreative Ideen:

  • Große Sprachmodelle (LLMs) einsetzen, um Ortsangaben aus Texten zu extrahieren

  • Koordinaten aus verknüpften Daten ziehen (z. B. DataCite-Einträge mit Geometadaten)

  • Zitationen physischer Proben mit bekannten Standorten nutzen (z. B. IGSNs)

  • Ortsnamen (wie „Berlin“) aus Tags oder Schlagwörtern extrahieren (etwa mittels eines Gazetteers/Ortslexikons)

Daniel wies darauf hin, dass manche Repositorien dies bereits gut machen – etwa PANGAEA und GFZ Data Services. Diese fachspezifischen Repositorien könnten als Vorbild für allgemeinere Forschungsdatenrepositorien dienen. Die Gruppe diskutierte auch ganz neue Anwendungsfälle: zum Beispiel Museumsbesucherinnen das Erkunden von Artefakten anhand ihres Ursprungsorts zu ermöglichen oder Bürgerwissenschaftsprojekte basierend auf dem Standort der Nutzerinnen zu fördern. Entwickler*innen in der Runde schlugen Verbesserungen von Standards vor, um räumliche Metadaten besser zu unterstützen und ihre Nutzung breiter zu etablieren.

Eine Herausforderung, vor der Daniel steht, ist das Finden von Zeitschriften, die das OJS-Plugin in die Nutzung übernehmen. Viele unabhängige Journale haben nur begrenzte Zeit und technische Ressourcen. Auf die Frage, ob das Plugin auch für große Verlage und andere Platformen geeignet sei, erklärte Daniel, dass zwar Teile wiederverwendbar seien, aber jedes Publikationssystem unterschiedlich ist. Sein Team arbeitet auch an einer Version für Janeway. Technisch sei das Ganze recht direkt machbar – entscheidend seien aber Nutzererlebnis und Kommunikation.

Sogar grundlegende Begriffe wie „überlappt“, „liegt innerhalb“ oder „berührt“ (zur Beschreibung räumlicher Beziehungen) können Nutzer*innen verwirren, wenn sie nicht gut erklärt sind. Das unterstreicht eine zentrale Erkenntnis der Session: Kommunikation ist entscheidend. Der Begriff raumbezogene oder geographische Metadaten ist außerhalb technischer oder geowissenschaftlicher Fachkreise kaum bekannt. Doch gerade in Disziplinen, die sonst nicht in Karten oder Koordinaten “denken”, könnte der Nutzen am größten sein – weil dort neue und überraschende Forschungskontexte und Verknüpfungen entstehen können. Daniel verließ die Session mit neuen Ideen, wie Geometadaten in folgenden Bereichen Anwendung finden könnten:

  • Metawissenschaft (die Wissenschaft der Wissenschaft)

  • Studien zu Diversität und Inklusion

  • Forschungsgerechtigkeit, um geografische Verzerrungen in der Wissenschaft zu untersuchen

  • Politische Grenzen und Namen können strittig oder sprachlich unterschiedlich sein – einfache Koordinaten jedoch nicht.

Am Ende drehte sich die Diskussion wieder um die Frage der Datenerfassung. Die Gruppe überlegte, wie man Forschende bei der Erstellung von Geometadaten unterstützen kann – entweder durch intelligente Vorschläge (mit Hilfe von maschinellem Lernen, KI/AI) oder einfachen Werkzeugen. Zum Beispiel könnte ein System helfen, indem es:

  • Die Form einer Region aus OpenStreetMap über die Overpass-API vorschlägt

  • Ortsnamen aus freien Textbeschreibungen vorschlägt (mittels NLP)

  • Nutzer*innen erlaubt, mit einem „dicken Marker“ grob eine Region, Linie (z. B. Fluss) oder Fläche auf einer Karte zu skizzieren

Der Schlüssel ist, es einfach und benutzerfreundlich zu halten. Ziel ist nicht die perfekte Karte, sondern Forschung buchstäblich auf die Landkarte zu bringen. Daniel bedankt sich bei allen Teilnehmenden für ihre klugen Fragen und Ideen. Die Session hat gezeigt: Das Grundkonzept findet breite Zustimmung – aber es braucht klare Nutzungsvorteile und praktische Beispiele, um auch jenseits der Geo-Community wahrgenommen zu werden. Nutzerperspektiven sollen daher im Mittelpunkt bleiben, wenn die Arbeit weitergeht. Melde dich bei Daniel wenn dich das Theme interessiert!

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